INFORMATION
Julia Krahn begann 2013 auf Kommission der Anna von Borries Stiftung an der Porträtserie SchönerHeit zu arbeiten, die nun zum ersten Mal in einer Fotoausstellung gezeigt wird. Im Mittelpunkt stehen dabei zwölf Bewohner einer Einrichtung von DIAKOVERE Annastift Leben und Lernen – Menschen mit fast ausschließlich körperlicher Behinderung.
In dem Projekt SchönerHeit geht es darum, die Schönheit von Menschen mit Behinderung durch die künstlerische Wahrnehmung neu darzustellen und das übliche Schönheitsideal zu hinterfragen. Julia Krahn setzt sich in ihrem Werk häufig mit sozialen Werten, dem gesellschaftlichen Wandel und dem Thema Religion auseinander. Erstmals werden dabei weder sie selbst noch Personen aus ihrem engsten Familienkreis zu Protagonisten. In intensiver Kooperation mit den Bewohnern entstanden ergreifende Inszenierungen, die mit jedem Bild ihre einzigartigen und liebenswerten Seiten zum Ausdruck bringen.
Das biblische Hohelied Salomos, mit seinem Reichtum an Bildern und Assoziationen zum Thema Liebe und Schönheit, ist dabei Inspiration und Leitfaden. Landesbischof Ralf Meister: „Die Künstlerin hat die Beteiligten so ins Bild gesetzt, wie es das Liebeslied des Alten Testaments besingt „Siehe, meine Freundin, du bist schön. Schön bist du, deine Augen sind wie Taubenaugen. Siehe, mein Freund, du bist schön und lieblich. Unser Lager ist grün. (Hohelied 1,15-16)“
„Die dargestellten Menschen hatten unbehindert die Möglichkeit, sich – spielerisch – zu inszenieren. Die Fotografien zeigen uns die einzelnen Menschen, ohne sie zur Schau zu stellen. Für die Beteiligten war es wichtig mit, aber nicht wegen der Behinderung wahrgenommen zu werden.“ betont Dr. Ulrich Spielmann, Geschäftsführer von Diakovere Annastift Leben und Lernen gGmbH und Vorstand der Anna von Borries Stiftung. Die Stiftung, die die Förderung der Behindertenhilfe zum Auftrag hat, initiierte und förderte das gesamte Kooperationsprojekt mit Unterstützung der Hanns-Lilje-Stiftung.
Die Ausstellung mit einer Auswahl der Fotografien wird am 19. Mai 2016 um 18 Uhr in der Kirche St. Johannis in Göttingen von Landesbischof Ralf Meister eröffnet; die Künstlerin und die Darsteller sind anwesend. Die Werke sind bis 22. Juni 2016 von Mittwoch bis Freitag 11 – 17 Uhr und Samstag 11 – 15 Uhr zu sehen.
Weitere Ausstellungsstationen folgen in Bremerhaven, Hildesheim, Verden und Hannover, sowie im Rahmen der Gruppenausstellung „Kunst mit Handicap“ in der Marktkirche Hannover (21.09. – 19.10.2016), in Kassel, Bremen und in Apolda.
Es erscheint ein Katalog mit zahlreichen farbigen Abbildungen, einem Vorwort von Landesbischof Ralf Meister und Essays von Beatrice Buscaroli, Angela Madesani und Gian Paolo Serino, sowie einem ausführlichen Blick hinter die Kulissen. Der Band enthält Texte auf Deutsch, Englisch, Italienisch und in Leichter Sprache.
Julia Krahn wurde in Jülich geboren und wuchs in Aachen auf. Sie brach 2001 ihr Medizinstudium in Freiburg ab und zog nach Mailand, um sich ganz der Kunst zu widmen. Heute arbeitet sie mit diversen Galerien international zusammen. Ihre Werke sind weltweit in Museen und Galerien zu sehen. Sie wurde mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Zuletzt wurde sie vom Landesmuseum Hannover und Lentos Kunstmuseum Linz eingeladen.
Die Anna von Borries Stiftung ist eine unselbständige Stiftung zur Förderung der Behindertenhilfe, der Altenhilfe, des öffentlichen Gesundheitswesens sowie der Bildung und Erziehung. Sie fördert vorrangig die gemeinnützigen Unternehmen „DIAKOVERE Annastift Leben und Lernen gGmbH“ und das „DIAKOVERE Krankenhaus Annastift gGmbH“, kann aber auch aktiv tätig werden. Sie ist eine Stiftung in Treuhandschaft des Annastift e.V..
GEDANKE
Der Körper, der seine Funktion in der Kommunikation verloren hat. Das Bild, das nicht widerspiegelt, was klar sichtbar sein möchte. Das beschriebene Gefühl in dem eigenen Körper gefangen zu sein. Einen Betroffenen zu erleben, der mich wohl versteht, den ich aber nicht verstehe und ich begreife nicht, dass er mich doch versteht. Das ist wie Ohnmacht und ich empfinde plötzlich den Wunsch diesen Körper nackt darzustellen; nur mit Leinen bedeckt, fast unsensibel und leicht falsch zu verstehen. Doch will ich niemanden zur Schau stellen. Was ist Fotografie denn schlussendlich. Wie liebevoll und vorsichtig einen kranken Körper SCHÖN in Fotografie darstellen. Wie lasse ich diesen Körper kommunizieren, der so gar keine Möglichkeit hat in unserer alltäglichen gewohnten Sprache zu sprechen. Den Körper seiner eigentlichen Funktion entreißen und abstrakt neu ins Bild zu stellen, das scheint mir ein Weg. Wie kommuniziere ich, wenn vertraute Kommunikation keinen Sinn ergibt. Ich spreche mit Händen und Füßen. Ich erfinde mich neu. Ich suche eine Art und Weise den Körper auf eine andere Ebene der Form und des Verstehens zu heben. Das Hohelied gibt dem ganzen einen noch vertieften Sinn und setzt die Farben in das bis dahin noch schwarz-weiße Bild. Ich sehe den Körper noch SCHÖNER vor mir.
Julia Krahn